Die Persona-Methode für Inno­va­tions- und Verän­de­rungs­pro­jekte

11. Januar 2016 von Dirk Jung

Die Persona-Methode wurde in den acht­zi­ger Jahren entwi­ckelt und ist heute u.a. fester Bestand­teil der design thin­king Schule, einer welt­weit verbrei­te­ten „Archi­tek­tur­an­lei­tung“ für inno­va­tive Entwick­lungs­pro­zesse mit dem Ziel, möglichst nutzer­freund­li­che und bedarfs­ge­rechte Produkte, Verfah­ren und Systeme zu schaf­fen.

Im folgen­den Text wollen wir eine kurze Beschrei­bung dieser Methode und ihre Anwen­dung geben und danach ihren mögli­chen Nutzen für Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung und Change Manage­ment disku­tie­ren.

Was sind Perso­nas?

Perso­nas sind fiktive Charak­tere, die viel­fäl­tige Bündel von Merk­ma­len in sich verei­nen, wie z.B. Alter, Geschlecht, Beruf, Konsum­ge­wohn­hei­ten, Einkom­mens­si­tua­tion, Werte und Lebens­ziele, Erzie­hungs­stil und Bildungs­stand. Diese Attri­bute, die einer Persona zuge­ord­net werden, basie­ren in der Regel auf Feld- und Milieu­kennt­nis, vorhe­ri­ger Forschung (Beob­ach­tung, Befra­gung) oder schlicht­weg auf Empa­thie. Mit ande­ren Worten, eine Persona ist zwar ein Stereo­typ, aber mit vielen Facet­ten ausge­stat­tet und auf Sach- und Menschen­kennt­nis basie­rend.

Mit Hilfe der Persona werden die mögli­chen Nutzer*innen einer Inno­va­tion oder eines Projekts nicht mehr entlang nur eines einzi­gen Merk­mals begrif­fen („mitt­lere Einkommensbezieher*in“, Kleinlandwirt*in“) sondern in der Gesamt­heit ihrer Lebens­si­tua­tion wahr­ge­nom­men und beschrie­ben. Mit ande­ren Worten, die mögli­chen Endnutzer*innen einer Inno­va­tion werden als Bestand­teile eines komple­xes Systems begrif­fen, in dem kultu­relle, mate­ri­elle, demo­gra­phi­sche, usw. Fakto­ren dyna­misch mitein­an­der verbun­den sind. Damit werden diffe­ren­zier­tere Lösun­gen und maßge­schnei­derte Produkte und Verfah­ren wahr­schein­li­cher.

Praxis­bei­spiel: Perso­nas für online Shop­ping

In einem Forschungs­pro­jekt der Univer­si­tät Hildes­heim wurden mögli­che Nutzer­ty­pen für online Shop­ping als Perso­nas beschrie­ben. Insge­samt kris­tal­li­sier­ten sich dabei drei Perso­nas heraus, von denen wir hier als Beispiel die Persona „Corne­lia Weber“ zitie­ren wollen. Wir können anhand dieses Beispiels wich­tige Merk­male dieser Tech­nik illus­trie­ren:

  • Die Persona erhält einen Namen
  • Die Persona erhält ein Gesicht (Foto)
  • Die Persona wird nicht eindi­men­sio­nal entlang ihres unmit­tel­ba­ren Nutzer*innenverhaltens (hier: Inter­net­nut­zung) beschrie­ben sondern als leben­dige Gesamt­per­sön­lich­keit.

Anwen­dung der Persona-Methode bei Inno­va­ti­ons­pro­zes­sen

Unsere Erfah­rung zeigt, dass die Konstruk­tion von Perso­nas eine starke Wirkung auf die Spra­che und die „Denke“ eines krea­ti­ven Teams hat, das versucht, eine Inno­va­tion mit konkre­tem Nutzen für ihre Anwender*innen zu entwi­ckeln. An die Stelle von abstrak­ten statis­ti­schen Kate­go­rien („jugendliche*r Start-up Unternehmer*in“) tritt eine Persön­lich­keit mit Name und Gesicht, die im Verlauf der Diskus­sion immer mehr „gespürt“ wird, so dass die Betei­lig­ten am Ende fast das Gefühl haben, sie würden diese Persona wirk­lich kennen. Sätze werden gespro­chen wie „Corne­lia würde das nie akzep­tie­ren, das wäre eher etwas für Ralf“, und alle wissen, wer damit gemeint ist. Das Instru­ment der Persona stellt einer­seits eine Verdich­tung und Reduk­tion von Komple­xi­tät dar und ande­rer­seits hilft es dabei, Nutzer*innen und Ziel­grup­pen diffe­ren­ziert und ganz­heit­lich wahr­zu­neh­men.

Perso­nas in der Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung

Bei Verän­de­rungs­vor­ha­ben in größe­ren Orga­ni­sa­tio­nen neigen Klient*innen und Berater*innen dazu, die Mitarbeiter*innen, die es gilt dabei „mitzu­neh­men“ und für den Wandel zu gewin­nen, entwe­der nach Funk­tio­nen zu kate­go­ri­sie­ren („der*die Werksleiter*in“) oder konkrete Einzel­per­sön­lich­kei­ten ins Visier zu nehmen („Dr. Meier ist skep­tisch“).

Wir glau­ben, dass es sinn­voll ist, in der Archi­tek­tur des Change Prozes­ses Perso­nas zu defi­nie­ren, die jeweils unter­schied­li­che Haltun­gen und Inter­es­sen gegen­über dem Wandel einneh­men. Also zum Beispiel den (fikti­ven) Abtei­lungs­lei­ter Heinz Müller, der seit 30 Jahren dabei ist und nur noch 3 Jahre bis zur Rente hat, oder die (fiktive) 35-jährige Inge­nieu­rin und Mutter von drei Kindern, Else Gruber, die in der jetzi­gen Struk­tur keine Aufstiegs­chan­cen sieht.

Dies ermög­licht es, die unver­meid­li­chen Konflikte und Wider­stände, die mit einem Wandel verbun­den sind, zu entper­so­na­li­sie­ren, und gleich­zei­tig bereits im Vorfeld ange­mes­sene Kommu­ni­ka­ti­ons- und Bera­tungs­an­ge­bote für diese Persona-Typen zu entwer­fen. Deren Haltung und Moti­va­ti­ons­lage gegen­über der geplan­ten Verän­de­rung werden empa­thisch nach­voll­zieh­bar und somit Bestand­teile einer ratio­na­len Stra­te­gie­dis­kus­sion statt unpro­duk­ti­ver grup­pen­dy­na­mi­scher Reibe­reien.

Hilf­rei­che Links:

http://www.cooper.com/journal/2008/05/the_origin_of_personas

https://usability-toolkit.de/projekt/ueber-das-projekt/