Entschei­dungs­fä­hig in komple­xen Situa­tio­nen

19. Dezember 2013 von Marcus Quinlivan

„Es wird ja alles immer komple­xer!“ stöhnt Geschäfts­füh­rer Gustav Zafel, ein lang­jäh­ri­ger Kunde von uns, zu Beginn der Leitungs­klau­sur. Mit dieser Einschät­zung steht er nicht alleine da, denn Komple­xi­tät hat Konjunk­tur, komplex ist „in“.

Was früher kompli­ziert war, ist heute komplex. Eindrucks­voll sicht­bar wird dieses Phäno­men, wenn man mit Google Ngram die Häufig­keit des Begriffs „komplex“ in Büchern seit 1800 darstellt: Die blaue Kurve des Begriffs „komplex“ steigt seit den 1990ern steil an, während gleich­zei­tig die rote Kurve von „kompli­ziert“ seit Jahr­zehn­ten nach unten weist. Befund: Früher war es kompli­ziert, heute ist es komplex.

Screenshot einer graphischen Auswertung einer Google Recherche.

Was heißt hier über­haupt komplex?

Aber was heißt hier über­haupt komplex? Die zuneh­mende Verwen­dung des Begriffs „komplex“ seit den 1960er Jahren fällt nicht zufäl­lig mit den aufkom­men­den system­theo­re­ti­schen Ansät­zen zusam­men. System­theo­rien versu­chen, die Dyna­mi­ken und Zusam­men­hänge in „Syste­men“ zu erfas­sen, gleich ob es sich dabei um das „System Regen­wald“ handelt, um die Stadt Berlin, das Welt­klima oder ein Indus­trie­un­ter­neh­men.

Während sich bei einem „kompli­zier­ten“ System, wie z.B. einem Auto, die Verhal­tens­wei­sen und Probleme aus der Summe seiner vielen Teile ablei­ten lassen, zeich­nen sich „komplexe“ Systeme gerade dadurch aus, dass sich ihre Eigen­schaf­ten nicht voll­stän­dig aus den Eigen­schaf­ten ihrer einzel­nen Kompo­nen­ten erklä­ren lassen. Komplexe Systeme bestehen aus einer Viel­zahl von mitein­an­der verbun­de­nen und inter­agie­ren­den Teilen, die oft unter­schied­li­che Eigen­dy­na­mi­ken haben. Zum Beispiel besteht das „System Berlin“ unter ande­rem aus sozia­len, biolo­gi­schen und tech­ni­schen Teil­sys­te­men, die jedes für sich anders „ticken“ und sich wech­sel­sei­tig beein­flus­sen. Warum diese Unter­schei­dung für Manage­ment und Bera­tung von großer Nütz­lich­keit ist, werden wir im Folgen­den noch sehen.

Die Post­korb-Übung: Komplex oder nur kompli­ziert?

An ihrer „Benutzer*innenoberfläche“ und aus Sicht des Manage­ments zeich­nen sich komplexe Systeme dadurch aus, dass sie uns mit einer großen Zahl von verschie­de­nen Entschei­dungs­op­tio­nen konfron­tie­ren, deren Konse­quen­zen wir aber nicht voll­stän­dig vorher­se­hen können. Die Post­korb-Übung – bekannt aus vielen Assess­ment-Centern – simu­liert diese Art von „Komple­xi­tät“. Bewerber*innen werden gleich­zei­tig mit einer Menge von sehr unter­schied­li­chen Aufga­ben (dem „Post­korb“) konfron­tiert und müssen diese inner­halb kurzer Zeit ordnen, prio­ri­sie­ren und dele­gie­ren. Die Übung ist in Verfah­ren zur Perso­nal­aus­wahl nach wie vor beliebt, um Selbst­or­ga­ni­sa­tion, Entschei­dungs­fä­hig­keit und Stress­fes­tig­keit der Bewerber*innen zu testen.

Wenn unser Kunde Herr Zafel also bekennt, alles werde immer komple­xer, meint er dann einfach: „Es gibt immer mehr Aufga­ben in immer kürze­rer Zeit?“ Mag sein, aber die wirk­li­che Heraus­for­de­rung besteht für ihn nicht so sehr in der Menge der Probleme, derer er sich anneh­men muss, sondern in der unter­schied­li­chen Art dieser Probleme. Und davon gibt es – durch die Brille eines*einer Systemikers*in betrach­tet – im Prin­zip vier verschie­dene Kate­go­rien. Und wehe, man verwech­selt sie mitein­an­der!

Graphik von den vier Typen von Problemen.

Vier Arten von Proble­men und wie man sie behan­deln sollte

Die Bera­tungs- und Entschei­dungs­si­tua­tio­nen, denen wir bei unse­ren Kund*innen begeg­nen, lassen sich grob in vier Arten eintei­len, nämlich „einfach“, „kompli­ziert“, „komplex“ und „chao­tisch“. Jede dieser Kate­go­rien erfor­dert eine eigene, ange­mes­sene Vorge­hens­weise in Bera­tung und Manage­ment.

Einfa­che Probleme – einfa­che Lösun­gen

Einfa­che Probleme haben einfa­che Lösun­gen, oder genauer: eine rich­tige Lösung – und die ist schnell erkenn­bar, sofern die notwen­di­gen Infor­ma­tio­nen verfüg­bar sind. Zu den „einfa­chen Problemen“gehören zum Beispiel viele betrieb­li­che Routi­ne­ab­läufe, wie etwa die Bear­bei­tung von Eingangs­rech­nun­gen, die bis zur Zahlungs­frei­gabe eine Reihe von Statio­nen durch­lau­fen. Ist doch einmal etwas unklar, genügt ein Blick ins Quali­täts­ma­nage­ment-Hand­buch oder eine kurze Rück­frage bei Kolleg*innen. Hier gilt: Was gestern rich­tig war, ist auch morgen noch rich­tig: Best-Prac­ti­ces geben sichere Anhalts­punkte für die schnelle Bear­bei­tung.

Unterm Strich gibt es für einfa­che Probleme eine bewährte Vorge­hens­weise in drei Schrit­ten:

Schritt 1: Wahr­neh­men. Was liegt da im Post­ein­gang?
Schritt 2: Kate­go­ri­sie­ren. Aha, das ist eine Eingangs­rech­nung.
Schritt 3: Handeln. Weiter­lei­ten zur kauf­män­ni­schen Prüfung.

Kompli­zierte Probleme: Erst mal analy­sie­ren!

Bei kompli­zier­ten Proble­men ist die rich­tige Antwort nicht mehr sofort erkenn­bar. Ange­sichts der Viel­zahl der zu berück­sich­ti­gen Aspekte und der viel­fäl­ti­gen Zusam­men­hänge ist hier oft Expert*innenwissen gefragt, um zu einer rich­ti­gen Lösung zu kommen:

Wenn der Email-Server ausfällt, werden zu Recht sofort die Fach­leute aus der IT-Abtei­lung geru­fen. Mit ihrem Detail­wis­sen analy­sie­ren sie zügig das viel­fäl­tige Zusam­men­spiel im Server und loten verschie­dene Möglich­kei­ten aus, den Email­ver­kehr wieder ins Laufen zu brin­gen. Nach­dem ein Update der Trei­ber­soft­ware das Problem noch nicht behe­ben konnte, bringt eine Neukon­fi­gu­ra­tion schließ­lich die erhoffte Lösung. Erleich­te­rung!

Im Gegen­satz zur einfa­chen Frage kann es für kompli­zierte Probleme also mehrere mögli­che Lösun­gen geben. Zu erken­nen, welches die ziel­füh­ren­den Hand­lungs­an­sätze sind, erfor­dert Expert*innenwissen und eine vertiefte Analyse des Problems. Die ange­mes­sene Vorge­hens­weise lautet daher:

Schritt 1: Wahr­neh­men. Wo tritt das Problem mit den Emails auf?
Schritt 2: Analy­sie­ren. Welche Ursa­chen könnte das Problem haben?
Schritt 3: Handeln. Z.B. die Server­kon­fi­gu­ra­tion ändern.

Komplexe Probleme: Test­bal­lons! Proto­ty­pen!

So kompli­ziert der Server auch ist, wer das Zusam­men­spiel seiner Programme versteht, kann einzelne Teile austau­schen, die Funk­ti­ons­weise gezielt ändern und rich­tige von falschen Lösun­gen unter­schei­den. Das ist bei komple­xen Sach­ver­hal­ten anders. Hier geht es nicht mehr um „rich­tig“ oder „falsch“, denn was ein Eingriff – eine „Inter­ven­tion“ – ins System bewirkt, lässt sich nicht mehr eindeu­tig zuord­nen oder gar vorher­sa­gen. Ein dich­tes Geflecht von Wech­sel­be­zie­hun­gen macht es unmög­lich, verläss­li­che Wenn-Dann-Bezie­hun­gen zu benen­nen, geschweige denn, Elemente einfach auszu­tau­schen:

Schon seit Wochen ist die Stelle der Bereichs­lei­tung vakant, und unter den Mitarbeiter*innen macht sich Unmut breit. Als die Geschäfts­füh­rung schließ­lich vor versam­mel­ter Runde Frau Perthes als neue Bereichs­lei­tung vorstellt, herrscht eisi­ges Schwei­gen. Später beim Mittag­essen rätseln die anwe­sen­den Geschäftsführer*innen: „Was war denn da gerade los? Eben noch klagen unsere Mitarbeiter*innen, dass es keine Leitung gibt. Jetzt geben wir ihnen eine, aber auch dann machen sie lange Gesich­ter.“

In komple­xen Zusam­men­hän­gen gibt es keine linea­ren Rezept­lö­sun­gen („Man nehme A, dann passiert B“). Dies hat immense Folgen für jene, die hier Entschei­dun­gen fällen müssen, denn auch die umfang­reichste Analyse erbringt noch keine sichere Prognose. Bei komple­xen Proble­men läuft es daher darauf hinaus, mit „Test­bal­lons“ zu arbei­ten und sich dann auf rasches Nach­steu­ern einzu­stel­len:

Schritt 1: Sondie­ren. Die geplante Neube­set­zung der Bereichs­lei­tung zunächst einem klei­nen Kreis kommu­ni­zie­ren.
Schritt 2: Wahr­neh­men. Skep­ti­sche Reak­tion der anwe­sen­den Mitarbeiter*innen auslo­ten und nach­fra­gen.
Schritt 3: Handeln. In der Vorstel­lung vor versam­mel­ter Runde jene Punkte offen anspre­chen, die Mitarbeiter*innen skep­tisch und wider­stän­dig machen könn­ten.

Im Umgang mit komple­xen Entschei­dungs­si­tua­tio­nen hat sich das „Proto­ty­p­ing“ bewährt. „Proto­ty­p­ing“ ist ein Verfah­ren zum Austes­ten von Hand­lungs­va­ri­an­ten mittels aufwands­ar­mer, güns­ti­ger Test­ver­sio­nen. Oder anders formu­liert: Es geht um die Möglich­keit, in kurzer Zeit möglichst viele nütz­li­che Fehler machen zu können – bei gerin­gen Kosten oder gar Folge­schä­den. Damit unter­schei­det sich diese Vorge­hens­weise von oft lang­wie­ri­gen und aufwän­di­gen „Pilot­pro­jek­ten“.

Chaos: Stabi­li­sie­ren!

Chao­ti­sche Zustände zeich­nen sich durch Turbu­lenz aus. Starke Dyna­mi­ken drohen das Ganze zu zerrei­ßen und lassen keine Zeit mehr für zaghafte Test­bal­lons. Hier ist Handeln ange­sagt:

Im Okto­ber 2008, inmit­ten der Banken­krise, treten Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel und Finanz­mi­nis­ter Peer Stein­brück vor die Presse und erklä­ren den versam­mel­ten Journalist*innen: „Wir sagen den Spare­rin­nen und Sparern, dass ihre Einla­gen sicher sind. Auch dafür steht die Bundes­re­gie­rung ein.“ Über welchen Mecha­nis­men die Spar­ein­la­gen gesi­chert werden, und ob die Bundes­re­gie­rung über­haupt die Mittel dazu in der Hand hat, bleibt im Dunkeln. Aber das Macht­wort erfüllt seinen Zweck: Massen­hafte Geld­ab­he­bun­gen und der Banken-Kollaps blei­ben aus.

In chao­ti­schen Situa­tio­nen schei­nen die sonst übli­chen Regeln des Analy­sie­rens und Abwä­gens nicht mehr zu gelten. In dieser Situa­tion ist Stabi­li­tät das oberste Gebot der Stunde, und diese entsteht durch entschlos­se­nes Durch­grei­fen:

Schritt 1: Stabi­li­sie­ren. Orien­tie­rung schaf­fen, Sicher­heit stif­ten, klare Regeln setzen.
Schritt 2: Wahr­neh­men. Wirkung der Stabi­li­sie­rungs­maß­nah­men aufmerk­sam verfol­gen.
Schritt 3: Handeln. Stabi­li­sie­rungs­maß­nah­men herun­ter­fah­ren, sobald das Problem „nur noch“ komplex ist.

Komple­xi­tät und Kompli­ziert­heit im Manage­ment – Fünf Fehler­mus­ter

Kern­auf­gabe von Führungs­kräf­ten ist es, Orga­ni­sa­tio­nen entschei­dungs­fä­hig zu machen. Das betrifft mal einfa­che, mal kompli­zierte und mal komplexe Fragen. Die Kunst besteht darin, zu erken­nen, um welche Art von Frage es sich handelt – und dementspre­chend zu handeln. Das erweist sich in der Praxis jedoch als tückisch, und in vielen Orga­ni­sa­tio­nen geht da so eini­ges durch­ein­an­der: Mal werden einfa­che Fragen mit komple­xen Antwor­ten über­frach­tet, woan­ders versu­chen Manager*innen vergeb­lich, komplexe Zusam­men­hänge mit einfa­chen Lösun­gen zu erschla­gen. Beson­dern häufig begeg­nen uns in der Bera­tung die folgen­den fünf Fehler­mus­ter:

Der Igno­ranz-Fehler: „Wir kennen das Problem“

Im Team eine Lösung zu finden, setzt zual­ler­erst ein klares und gemein­sa­mes Bild des Problems voraus. Gerade sehr leis­tungs­ori­en­tierte und unge­dul­dige Teams tun sich hier oft schwer. Sie operie­ren auf der Basis von still­schwei­gen­den Annah­men: „Ich kenne das Problem.“ und „Meine Teamkolleg*innen haben das glei­che Bild davon.“ und gehen sofort in die Lösungs­su­che. Erst im Laufe von oft nerven­auf­rei­ben­den Ausein­an­der­set­zun­gen tritt dann zutage, wie unter­schied­lich die Lesar­ten des Problems wirk­lich sind, und wie unter­schied­lich deshalb die entspre­chen­den indi­vi­du­el­len Lösungs­vor­stel­lun­gen. Am Anfang soll­ten daher immer die Fragen stehen: Mit was für einem Problem haben wir es hier zu tun – einfach, kompli­ziert, komplex, chao­tisch? Mit welchem Modus reagie­ren wir also ange­mes­sen?

Der Routine-Fehler: „Zurück zu alten Mustern“

Die meis­ten von uns fühlen sich mit bestimm­ten Frage­stel­lun­gen wohler als mit ande­ren. Dahin­ter steht oft eine Vorliebe für einen bestimm­ten Hand­lungs­mo­dus:

  • „Ich packe gerne schnell und prak­tisch an, ohne lange zu grübeln.“ (prima für einfa­che Probleme)
  • „Ich gehe den Dingen gerne auf den Grund und will es genau wissen.“ (bestens für kompli­zierte Probleme)
  • „Ich mag es, wenn die Dinge im Fluss sind und es noch in alle Rich­tun­gen gehen kann.“ (ange­mes­sen bei komple­xen Proble­men)
  • „Wenn es Probleme gibt, geh ich sofort dazwi­schen und spiel hier die Feuer­wehr.“ (im Chaos sinn­voll)

Hinter diesen Vorlie­ben verber­gen sich Talente und Neigun­gen. So wert­voll diese sein können, in der falschen Situa­tion stif­ten sie Unheil. Vorsicht ist also gebo­ten, wenn es stres­sig wird, denn dann fallen wir gerne in unse­ren „Lieb­lings­mo­dus“ zurück – auch wenn die Umstände viel­leicht etwas ganz ande­res verlan­gen.

Der Best-Prac­tice-Mythos: „Gestern als Blau­pause für morgen“

Best Prac­ti­ces, also Patent­lö­sun­gen auf Basis erleb­ter Erfolgs­ge­schich­ten, arbei­ten mit der Prämisse: Was heute rich­tig ist, ist auch morgen rich­tig. Und in der Tat ist diese Art der Problem­lö­sung für einfa­che Fragen effek­tiv und vermei­det es, das Rad täglich neu erfin­den zu müssen. Viel zu oft werden Best Prac­ti­ces jedoch auf kompli­zierte und sogar komplexe Sach­ver­halte ange­legt – und sind dort zum Schei­tern verur­teilt.

Dies gilt auch für Vorge­hens­wei­sen in der Bera­tung: Was bei*m Klient*in A wunder­bar funk­tio­niert hat, funk­tio­niert bei Klient*in B noch lange nicht. In der Praxis hindert das aller­dings viele Berater*innen nicht daran, ihre „Lieb­lings­me­tho­den“ mit sich herum­zu­tra­gen und sie auch dort anzu­wen­den, wo es über­haupt nicht passt…

Die Planungs­il­lu­sion: „Je komple­xer der Prozess, desto detail­lier­ter die Planung“

Umstruk­tu­rie­run­gen, Führungs­wech­sel und die Einfüh­rung neuer IT-Systeme sind stets komplexe Verän­de­run­gen, selbst wenn deren Auswir­kun­gen im Einzel­fall keines­falls drama­tisch sein müssen. Um diese Komple­xi­tät „in den Griff zu bekom­men“ wird oft der Ruf nach einer beson­ders detail­lier­ten Planung laut.

Das ist inso­fern miss­lich, als dass komplexe Prozesse nur sehr einge­schränkt vorher­sag­bar und plan­bar sind. Dies bedeu­tet zwei­er­lei: Je komple­xer ein Verän­de­rungs­pro­zess,

  • desto grob­kör­ni­ger sollte die Planung für die späte­ren Prozess­pha­sen zunächst ausge­führt werden. Die Fein­pla­nung für die späte­ren Schritte ergibt sich erst im Laufe der ersten Schritte.
  • desto wich­ti­ger ist ein feines Senso­rium für die Dyna­mi­ken im System: z.B. Rück­kopp­lungs­schlei­fen, Kummer­käs­ten, Vertrau­ens­per­so­nen, Sound­ing-Boards oder anonyme Austausch-Foren. Diese verschaf­fen uns wich­tige Anhalts­punkte für das konti­nu­ier­li­che Nach­steu­ern der Prozesse.

Die Löwen-Falle: „Entschei­dungs­stärke um jeden Preis“

Entschei­dungs­stärke gilt land­läu­fig als Ausweis von Führungs­qua­li­tät – nicht ganz zu Unrecht, denn immer wieder schie­ben Führungs­kräfte unlieb­same Entschei­dun­gen vor sich her („Ich weiß ja, eigent­lich müsste ich mal ein erns­tes Wört­chen mit Frau Plischke reden.“) Aller­dings erweist sich der Umkehr­schluss („Immer alles sofort entschei­den!“) als nicht minder fatal, sofern es gerade nicht um einfa­che oder chao­ti­sche Problem­ty­pen geht.

In kompli­zier­ten Situa­tio­nen ist es durch­aus ratsam, erst die einge­hende Analyse abzu­war­ten, bevor man Entschei­dun­gen trifft. In komple­xen Situa­tio­nen kann es hinge­gen drama­ti­sche Folgen haben, alles auf eine Karte zu setzen und auf den Erfolg der „einen großen Inter­ven­tion“ zu hoffen, anstatt sich mit geschärf­ten Sinnen und mit Hilfe von klei­nen Test­bal­lons an viel­ver­spre­chende Lösun­gen heran­zu­tas­ten.

Komplexe von kompli­zier­ten und diese wiederum von einfa­chen Proble­men zu unter­schei­den, erweist sich im Unter­neh­mens­all­tag oft als knif­fe­lig. Hier setzen Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung und Bera­tung an, um nach gemein­sa­mer Erkun­dung des Problems und Verstän­di­gung über den passen­den Modus der Bear­bei­tung konkrete Entschei­dun­gen und Schritte abzu­lei­ten.

Im Falle des anfangs erwähn­ten Herrn Zafel, für den alles immer komple­xer wurde, erwies es sich als ein einfa­ches Problem – aller­dings mit komple­xen Folgen im System. Die interne Infor­ma­ti­ons­wei­ter­gabe und spezi­ell der interne Post­ver­kehr konn­ten als Flaschen­hals iden­ti­fi­ziert werden – ein einfa­ches Problem mit einer einfa­chen Lösung: Nach­dem Zustän­dig­kei­ten und Work­flow eindeu­tig geklärt und doku­men­tiert waren, war die Erleich­te­rung groß und die Erkennt­nisse frap­pie­rend. Offen­bar ist auch einfach nicht immer einfach.

Zum Weiter­ver­fol­gen:

  • David J. Snow­den, Mary E. Boone: A Leader’s Frame­work for Decis­ion Making. Harvard Busi­ness Review, Novem­ber 2007.
  • David J. Snow­den erläu­tert die Unter­schei­dung von einfa­chen, kompli­zier­ten, komple­xen und chao­ti­schen Proble­men:

  • Proto­ty­p­ing in der Praxis: Anschau­li­cher Blick über die Schul­ter eines Inno­va­ti­ons­teams bei der Neuent­wick­lung des Einkaufs­wa­gens: